Stellungnahme

MOIA GmbH zum Kabinettsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Personenbeförderungsrechts

anlässlich der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur im Deutschen Bundestag am 22.02.2021

I. Gesamtbewertung: Wichtige Weichenstellung für digitale Mobilität mit Nachbesserungsbedarf
II. Faire Besteuerung: Die drängendste Frage für Ridepooling-Anbieter wird nicht adressiert
III. Abgrenzung sicherstellen: Einzelplatzvermietung nur für gebündelte Verkehre
IV. Potenziale des Linienbedarfsverkehrs nutzbar machen: Kommunale Flexibilität in der Tarif- und Angebotsgestaltung ermöglichen
V. Schlussfolgerungen: PBefG-Novelle für die Rechtssicherheit neuer Angebote zügig vollenden

I. Gesamtbewertung: Wichtige Weichenstellung für digitale Mobilität mit Nachbesserungsbedarf

MOIA begrüßt, dass die Reform des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) nun auf der Zielgeraden ist und der rechtliche Rahmen noch in dieser Legislatur an die veränderten Mobilitätsbedürfnisse der Menschen und die neuen digitalen Mobilitätslösungen angepasst wird. Der Gesetzentwurf zur Modernisierung des Personenbeförderungsrechts (PBefG-E) bettet erstmals neuartige, digitale Verkehrsformen in die Mobilitätslandschaft in Deutschland rechtlich ein. Das ist ein wichtiger Schritt.

Doch ist der Gesetzentwurf ein starker politischer Kompromiss, der an vielen Stellen die Interessen und den Schutz bestehender Verkehrsträger in den Vordergrund stellt. Er verpasst die Chance, einen Rechtsrahmen zu schaffen, der sich konsequent an den Mobilitätsinteressen der Bürgerinnen und Bürger orientiert und im Sinne des Klimaschutzes Grundlagen für eine wirkliche Verkehrswende schafft.

Die größte Errungenschaft der Novelle ist der neu geschaffene Paragraf zum gebündelten Bedarfsverkehr (§ 50 PBefG-E). Wir begrüßen, dass damit der grundsätzliche rechtliche Rahmen für bedarfsorientiertes Ridepooling geschaffen wird. Da der Rahmen insgesamt jedoch sehr eng gesteckt ist, wird es für diese neue Verkehrsform schwer, ihr volles Potential für eine erfolgreiche Klima- und Verkehrswende in Deutschland zu entfalten.

Die wichtigste Voraussetzung wurde nicht adressiert: Die steuerliche Gleichbehandlung aller Ridepooling-Verkehre. Nicht nur von der rechtssicheren Verankerung im Gesetz, sondern ganz besonders von einer fairen Besteuerung hängt ab, ob private Ridepooling-Unternehmen wie MOIA im Wettbewerb zu anderen Verkehren bestehen und sich langfristig im kostenintensiven Mobilitätssektor etablieren können.

Die Vielzahl an vorgesehenen kommunalen Steuerungsinstrumenten führt außerdem zu einer Planungs-, Rechts- und Invenstitionsunsicherheit für Anbieter des gebündelten Bedarfverkehrs. Zwar ist es sinnvoll und wichtig, dass Städte und Gemeinden ausreichend Gestaltungsspielraum für die Einbettung von Ridepooling in den Mobilitätsmix vor Ort erhalten. So können sie den gebündelten Bedarfsverkehr in ihre lokale Ausgestaltung im Sinne einer klimafreundlichen Mobilitätswende optimal und angepasst an lokale Bedarfe einbinden.

Allerdings kann bei dem jetzt vorgesehenen, sehr weit gefassten Steuerungskatalog ein eigenwirtschaftlicher Betrieb ebenso leicht verhindert werden. Für die junge, sich noch im Aufbau befindende Ridepooling-Branche, bedeutet dies eine weiterhin große Planungsunsicherheit. In der praktischen Anwendung muss darauf geachtet werden, dass die Steuerungsinstrumente in einem realistischen Verhältnis zum praktischen Anspruch an einen innovativen Service eingesetzt werden. Mit Blick auf das weitere Gesetzgebungsverfahren ist es essentiell, dass auf den bereits umfangreichen Steuerungskatalog nicht noch weiter draufgesattelt wird.

Die dringendsten Knackpunkte kommentiert MOIA im Folgenden im Detail. Sie sind entscheidend, um gebündelte Bedarfsverkehre langfristig etablieren zu können. Trotz des Nachbesserungsbedarfs bleibt aber das wichtigste Ziel, die existenziell notwendige Rechtssicherheit für Pooling-Anbieter wie MOIA noch in dieser Legislaturperiode herzustellen, damit Ridepooling aus der Experimentierklausel herausgeführt wird.

II. Faire Besteuerung: Die drängendste Frage für Ridepooling-Anbieter wird nicht adressiert

Ein fair austariertes Verhältnis an Rechten und Pflichten für alte und neue Verkehrsformen der Personenbeförderung ist ein wesentlicher Faktor dafür, dass sich eigenwirtschaftliche Unternehmen wie MOIA mit innovativen Angeboten langfristig etablieren können. Das gilt vor allem für eine gerechte Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes als existenziellen Baustein fairer Wettbewerbsbedingungen. Die Steuerthematik wird jedoch im PBefG-E bislang nicht berücksichtigt.

Während Linienverkehre inklusive der neu eingeführten Linienbedarfsverkehre (Ridepooling „unter dem Dach des ÖPNV”) sowie Taxis im Gelegenheitsverkehr mit einem reduzierten Umsatzsteuersatz von 7% operieren, gilt für den gebündelten Bedarfsverkehr der reguläre Steuersatz von 19%. Eine faire steuerliche Behandlung entscheidet darüber, ob der gebündelte Bedarfsverkehr seinen vollen Mehrwert als Ergänzung zum ÖPNV und für die Verkehrs- und Kostenentlastung in Kommunen entfalten kann oder ob er an den existenziellen Rand gedrängt wird.

Die Wichtigkeit einer steuerlichen Gleichbehandlung von gebündelten Bedarfsverkehren mit dem Linien- und Taxiverkehr begründet sich aus Sicht von MOIA in drei Aspekten:

  • Die klimapolitische Bedeutung: Der gebündelte Bedarfsverkehr leistet mit emissionsfreien Antrieben und dem künftig verpflichtenden Effizienznachweis („Bündelungsquote”) einen wesentlichen Beitrag zur Verkehrseffizienz und zum Klimaschutz. Dieser wichtige Beitrag zahlt konkret auf das im PBefG-E neu verankerte Schutzziel der Umweltverträglichkeit ein. Dies sollte steuerlich ebenso bewertet werden wie der Beitrag zur Daseinsvorsorge des neuen Linienbedarfsverkehrs.
  • Ein aus Verbrauchersicht vergleichbares Angebot: Ridepooling kombiniert die Bedarfsorientierung des Taxis mit der Bündelungswirkung des Linienverkehrs. Aus Verbrauchersicht ist Ridepooling unabhängig vom Betreiber mit Blick auf Preis, Komfort und Beförderungsleistung eine zu Taxi- bzw. Linienverkehr vergleichbare Leistung. Eine unterschiedliche Besteuerung von gebündeltem Bedarfsverkehr und Linienbedarfsverkehr ist jedoch nicht nur aus Verbrauchersicht nicht nachvollziehbar. Gleichartige und in Wettbewerb stehende Dienstleistungen dürfen auch nach dem Grundsatz der Neutralität umsatzsteuerlich nicht unterschiedlich belastet werden.
  • Mit wettbewerbsfähigen Preise eine optimale Lenkungswirkung entfalten: Mobilität ist ein kostenintensiver Markt mit einer stark begrenzten Zahlungsbereitschaft der Nutzer. Nur mit wettbewerbsfähigen Preisen kann ein Anreiz zum Umstieg auf geteilte Mobilität geschaffen werden. Voraussetzung ist ein wettbewerbsfähiger Steuersatz, damit Anbieter von gebündelten Bedarfsverkehren attraktive, wettbewerbsfähige Preise an den Verbraucher weitergeben können.

III. Abgrenzung sicherstellen: Einzelplatzvermietung nur für gebündelte Verkehre

Die eindeutige Systematik klar abgegrenzter Verkehrsarten mit jeweils eigenen Rechten und Pflichten beizubehalten, wird als Intention des PBefG-E an zahlreichen Stellen und bereits in den Ergebnissen der Findungskommission deutlich. Diese klare Abgrenzung ist positiv zu bewerten. Somit bleiben die einzelnen Verkehrsformen gezielt regulier- und kontrollierbar.

Nicht nur zwischen Linien- und Gelegenheitsverkehren, sondern auch unter den Gelegenheitsverkehrsformen wird dieses sinnvolle Ziel mehrfach klar benannt: Klare Abgrenzungen in den § 46 und § 49 (4) werden im PBefG-E durch den gebündelten Bedarfsverkehr ergänzt. Und auch der § 50 zu gebündeltem Bedarfsverkehr stellt die gesetzgeberisch gewünschte Abgrenzung und gebotene Vermeidung von Verwechslungen unter den Verkehrsarten unmissverständlich heraus. Beispielsweise in der Begründung zu § 49 (4) heißt es: „[Auf diese Weise wird] klargestellt, dass Mietwagen, Taxen und gebündelte Bedarfsverkehre streng voneinander abzugrenzen sind. Grund für diese Abgrenzung ist das unterschiedliche Rechte-Pflichten-Gefüge, denen die drei verschiedenen Gelegenheitsverkehrsformen unterliegen.“

Aus den hier zitierten Rechten und Pflichten ergeben sich auch die abgrenzenden Alleinstellungsmerkmale der jeweiligen Verkehrsform. Für gebündelte Bedarfsverkehre wurden gerade die Pflichten im PBefG-E bereits sehr deutlich gemacht. Entsprechend ist nun auch eine Klarstellung der Rechte und eine begrifflich eindeutige und konsequente Zuordnung der Einzelplatzvermietung als Alleinstellungsmerkmal dringend erforderlich. Nur so können ungewollte Interpretationsspielräume und Rechtsunsicherheiten ausgeräumt werden.

Die Bündelung von Beförderungsaufträgen entlang einer Fahrtstrecke ohne Einfluss der Fahrgäste auf die tatsächliche Wegstrecke und den beförderten Personenkreis ist das entscheidende Alleinstellungsmerkmal des gebündelten Bedarfsverkehrs, das so auch im Entwurf benannt ist. Bereits in der Einleitung des PBefG-E heißt es: „Dieser neuen Verkehrsform wird die Einzelsitzplatzvermietung ermöglicht, um Fahraufträge verschiedener Fahrgäste entlang ähnlicher Wegstrecken zu bündeln.“ Diese rechtlich benannte Eigenschaft ist also zum einen wirtschaftliche Grundlage für Pooling-Angebote, aber auch wichtigstes Kriterium zur Unterscheidung für den Nutzer.

Einige Abgrenzungen entlang dieses Merkmals sind bereits rechtssicher gelungen: Im Unterschied zum Linienbedarfsverkehr darf Pooling die Aufträge ausschließlich auf vorherige Bestellung ausführen. Zum Mietwagenverkehr ist abgrenzend klar, dass Fahrzeuge im Mietwagenverkehr nur im Ganzen angemietet werden können. Für die vollständig rechtssichere Einbettung der neuen Verkehrsform gebündelte Bedarfsverkehre ist es wichtig, dass anhand der Bündelung von Beförderungsaufträgen, die nur dem Pooling vorbehalten ist, auch die Abgrenzung zum Taxiverkehr eindeutig erfolgt. Dabei soll aus einer begrifflichen Anpassung auch eindeutig hervorgehen, dass Gruppenfahrten beispielsweise für Krankentransporte, wie sie dem Taxiverkehr vor allem per § 47 (3) ermöglicht werden, auch weiterhin durchführbar sind. Dies entspricht auch dem expliziten Wunsch der Findungskommission, einerseits Gruppenfahrten weiterhin zu ermöglichen, die Einzelplatzvermietung aber eindeutig dem gebündelten Bedarfsverkehr zuzuschreiben.

Eine klare Ordnung des Verkehrsmarktes ist nicht nur für die Rechtssicherheit der Anbieter in der jeweiligen Verkehrsform, sondern auch für Planbarkeit und Kontrollierbarkeit des Verkehrs vor Ort in den Kommunen wichtig. Gleichzeitig sollten Kommunen ausreichend Gestaltungsfreiheit erhalten, um in einem gewissen Rahmen mittels Ausnahmegenehmigung auch Fahrten außerhalb der primären Verkehrsform im Gelegenheitsverkehr zu erlauben, beispielsweise um besondere Bedarfe im Rahmen von Events decken zu können.

Jenseits dieser Ausnahmemöglichkeiten bleibt die klare Trennung der Verkehrsformen zentrales Element im PBefG-E und Angebotsgrundlage für Pooling-Unternehmen wie MOIA.

IV. Potenziale des Linienbedarfsverkehrs nutzbar machen: Kommunale Flexibilität in der Tarif- und Angebotsgestaltung ermöglichen

Ridepooling hat ein großes Potenzial, mit bedarfsgerechten, digitalen Angeboten die Mobilität von Morgen zu gestalten, Städte zu entlasten und zum Klimaschutz im Verkehr beizutragen. Das gilt für das private Ridepooling ebenso wie für das Ridepooling unter dem Dach des ÖPNV. Auch wenn diese Zweiteilung von Ridepooling in Linienbedarfsverkehre (ÖPNV-Pooling) und gebündelte Bedarfsverkehre (eigenwirtschaftiches Pooling) nach dem PBefG-E aus Anbietersicht nicht zwingend erforderlich ist, muss sichergestellt werden, dass in beiden Formen des Poolings ein nachhaltiger, wirtschaftlicher Betrieb möglich ist.

Vor diesem Hintergrund besteht auch für Ridepooling-Verkehre unter dem Dach des ÖPNV Nachbesserungsbedarf im PBefG-E. Dies betrifft die Frage der Entgeltgestaltung und damit der finanziellen Tragfähigkeit dieser Angebote. Hierzu sieht der §44 Satz 3 PBefG-E aktuell „höchstens einen pauschalen Zuschlag je Fahrt“ vor. Eine derart starre Form der Tarifgestaltung wird dem Linienbedarfsverkehr in seiner Anwendungsvielfalt nicht gerecht und vernachlässigt, dass es neben klassischen Zubringerverkehren auch großflächige Linienbedarfsverkehre gibt. Diese werden zum Beispiel in Projekten von CleverShuttle in Darmstadt (HeinerLeiner) oder Leipzig (Flexa) demonstriert.

Linienbedarfsverkehre sind - anders als die klassischen Linienverkehre des ÖPNV - geografisch und zeitlich flexibel einsetzbar. Sie können sich so dem tatsächlichen Mobilitätsbedarf anpassen. Dieses entscheidende Merkmal bedeutet für die Kommunen und kommunale Aufgabenträger einen enormen Zugewinn an Flexibilität bei der Angebotsbereitstellung im Nahverkehr. Damit haben Kommunen die Chance, Angebote passgenau für die konkreten Bedürfnisse vor Ort zu planen und trotzdem den öffentlichen Zuschussbedarf gering zu halten.

Es ist zentral, der kommunalen Ebene weit gefasste Gestaltungsspielräume beim Linienbedarfsverkehr einzuräumen, da diese die Mobilitätsbedarfe, Nachfrage- und Angebotsstrukturen vor Ort am besten einschätzen kann. Diese Entscheidungshoheit sollte auch die tarifliche Ausgestaltung umfassen. Nur durch dynamische Preise innerhalb eines Korridors kann der Zuschussbedarf durch die öffentliche Hand verringert werden. Zu eng gesteckte bundesweite Vorgaben beim Tarif, wie der vorgesehene Pauschalzuschlag, wären dagegen kontraproduktiv.

V. Schlussfolgerungen: PBefG-Novelle für die Rechtssicherheit neuer Angebote zügig vollenden

Der aufgezeigte Nachbesserungsbedarf verdeutlicht: Der im Koalitionsvertrag vereinbarte und mit der PBefG-Novelle beabsichtigte „faire Ausgleich (Level-Playing-Field) zwischen den unterschiedlichen Beförderungsformen” ist noch nicht ausreichend hergestellt.

Um gleichwertige Wettbewerbsbedingungen zu schaffen und den gebündelten Bedarfsverkehr langfristig als zukunftsfähige Mobilitätsoption zu etablieren, ist es unerlässlich, die steuerliche Gleichbehandlung von Ridepooling-Verkehren als elementaren Baustein der Modernisierung des Personenbeförderungsrechts einzubeziehen.

Trotzdem bleibt die wichtigste Aufgabe aus Sicht von MOIA, die grundsätzliche Rechtssicherheit für Ridepooling-Verkehre in der verbleibenden Zeit dieser Legislaturperiode zu schaffen. Dabei darf der teils optionale aber insgesamt umfangreiche kommunale Steuerungskatalog für gebündelte Bedarfsverkehre im weiteren Reformprozess nicht weiter aus der Balance geraten. Nur so kann aus der Intention der Novelle, neue Angebote zu ermöglichen und einen fairen Ausgleich zwischen den Verkehrsarten zu gewährleisten, praktische Realität werden.

Kontakt

Christoph Ziegenmeyer
VP Communications & Public Affairs
Carolin Maug
Managerin Politics & Public Affairs