Die Perspektiven für Autonomes Fahren
Autonomes Fahren Level 4 – ein Begriff, der auch abseits der Mobilitätsbranche immer präsenter wird und hohe Erwartungen weckt. Doch was verbirgt sich hinter dieser Klassifizierung und welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um tatsächlich von Level 4 im ÖPNV sprechen zu können? In diesem Beitrag werfen wir einen Blick auf die Stufen des autonomen Fahrens und erläutern, warum ein ganzheitlicher Systemansatz für den sicheren und zuverlässigen Betrieb im öffentlichen Personennahverkehr unerlässlich ist.
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Level-4-Autonomes Fahren ist hochkomplex und erfordert ein umfassendes Gesamtsystem, das über das Fahrzeug hinausgeht.
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Ein allumfassendes Level-4-System im ÖPNV beinhaltet neben dem intelligenten Fahrzeug auch Fahrzeugbetriebssoftware sowie Lösungen für das Flotten- und Fahrgastmanagement.
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Trotz technologischer Fortschritte gibt es in Deutschland derzeit noch keine Tests mit Level-4-Fahrzeugen, was die regulatorischen und technischen Herausforderungen unterstreicht.
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Autonome Fahrzeuge auf die Straße zu bringen, beinhaltet Zulassungsverfahren, die spezielle Sicherheitsfunktionen vorschreiben, wie z. B. redundante Brems- und Lenksysteme sowie Energieversorgung.
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MOIA plant gemeinsam mit Volkswagen ADMT die Umsetzung von Level-4-Ridepooling durch ein nahtlos integriertes Gesamtsystem, um den zukünftigen Mobilitätsbedürfnissen von Städten und ÖPNV-Betreibern gerecht zu werden.
Die SAE-Level des Autonomen Fahrens – ein Überblick
Die Society of Automotive Engineers (SAE) hat im Jahr 2014 eine international anerkannte Klassifizierung für automatisierte Fahrfunktionen veröffentlicht, die von Level 0 (keine Automatisierung) bis Level 5 (vollständige Automatisierung) reicht. Diese Stufen beschreiben den Grad der Fahraufgabenübernahme durch das System.
Allerdings bot die ursprüngliche Klassifizierung reichlich Interpretationsspielraum und wurde daher nicht immer einheitlich angewendet, was zu Verwirrung und Unklarheiten führte. Um dem entgegenzuwirken, haben die SAE und die International Organization for Standardization (ISO) die Klassifizierung im Jahr 2021 überarbeitet und präzisiert. Dabei wurden unter anderem die Unterschiede zwischen Level 3 und Level 4 deutlicher herausgearbeitet und neue Begriffe wie „remote assistance“ eingeführt.
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Level 2 – teilautomatisiertes Fahren: Das System kann mehrere Fahraufgaben gleichzeitig übernehmen, z. B. Lenken und Beschleunigen. Der/Die Fahrende muss jedoch weiterhin aufmerksam sein und jederzeit eingreifen können.
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Level 3 – bedingt automatisiertes Fahren: Das System kann unter bestimmten Bedingungen alle Fahraufgaben übernehmen. Der/Die Fahrende muss jedoch bereit sein, auf Aufforderung des Systems die Kontrolle zu übernehmen.
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Level 4 – hochautomatisiertes Fahren: Das System kann unter definierten Bedingungen alle Fahraufgaben übernehmen. Ein*e Fahrer*in ist nicht erforderlich.
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Level 5 – vollautomatisiertes Fahren: Das System kann unter allen Bedingungen alle Fahraufgaben übernehmen.
Darüber hinaus existieren auch andere Ansätze zur Klassifizierung autonomer Systeme, beispielsweise anhand von Kriterien wie „Augen an/aus“, „Hände an/aus“, „Fahrer*in vs. kein Fahrer*in“. Diese unterschiedlichen Perspektiven verdeutlichen die Komplexität des Themas und die Notwendigkeit einer klaren und einheitlichen Terminologie – nicht zuletzt auch auf rechtlicher und regulatorischer Ebene.
Level 4: Der entscheidende Schritt zum hochautomatisierten Fahren
Level 4 der SAE-Klassifikation markiert einen signifikanten Sprung in der Entwicklung des autonomen fahrens. Hier sprechen wir vom hochautomatisierten fahren in vordefinierten Betriebsbereichen. Innerhalb des Betriebsbereiches übernimmt das Fahrzeug die komplette Kontrolle, ohne dass eine menschliche Begleitperson wie zum Beispiel Sicherheitsfahrende an Bord sein müssen.
Doch was macht Level 4 so besonders, insbesondere im Kontext des öffentlichen Nahverkehrs? Der deutsche und europäische Rechtsrahmen für autonome Fahrzeuge erfordert für Level 4 den Einsatz homologierter Fahrzeuge. Konkret bedeutet das: Fahrzeuge müssen spezielle Fähigkeiten nachweisen, wie beispielsweise redundante Bremse, Lenkung und Batterie, um höchste Sicherheitsstandards zu gewährleisten. Voraussetzung dafür ist eine Typgenehmigung für Fahrzeuge mit autonomer Fahrfunktion.
Darüber hinaus geht es bei Level 4 um weit mehr als nur das Fahrzeug selbst. Es erfordert ein ganzheitliches System, das automatisierte Abläufe für den Ein- und Ausstieg, die Fernüberwachung durch eine Technische Aufsicht und den Umgang mit Sonder- und Ausnahmesituationen umfasst. Mit anderen Worten: Es braucht ein Gesamtsystem, bestehend aus intelligentem Fahrzeug, der Fahrzeugbetriebssoftware sowie digitalen Lösungen für das Flotten- und Fahrgastmanagement. Dieses System fährt nicht nur selbstständig, sondern nimmt auch eigenständig Passagier*innen auf, bringt sie sicher ans Ziel und meistert dabei sogar unerwartete Situationen wie Rettungseinsätze.
Neben der Fahrzeugtypgenehmigung ist für den Einsatz im ÖPNV eine Genehmigung des Betriebsbereiches gemäß der deutschen Autonome-Fahrzeuge-Genehmigungs-und-Betriebs-Verordnung (AFGBV) unter Einbezug der lokalen Behörden – sowie bei Betriebsbereichen auf Autobahnen der Autobahn GmbH – notwendig. Sie stellt sicher, dass hochautomatisierte Fahrzeuge in festgelegten Bereichen sicher eingesetzt werden können, indem sie die Eignung der lokalen Straßeninfrastruktur und die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmenden prüft. Wenn schlussendlich Fahrgäste befördert werden sollen, ist zu guter Letzt eine Genehmigung gemäß des deutschen Personenbeförderungsgesetzes erforderlich. Diese komplexen Genehmigungsstrukturen zeigen den sicherheitszentrierten Ansatz in Deutschland und Europa.
Obwohl viele Projekte in Deutschland als Vorreiter im autonomen fahren gelten, beschränken sich diese oft auf Fahrzeuge mit Assistenzsystemen und erfordern weiterhin die stetige Überwachung durch menschliche Fahrer*innen. Ein echtes Level-4-System benötigt jedoch alle zuvor beschriebenen Komponenten, nicht nur ein intelligentes Fahrzeug. Bisher wurde in Deutschland noch kein Level-4-fähiges Fahrzeug getestet. Nur durch dieses Gesamtsystem, das in Flotten mit Hunderten bis Tausenden von Fahrzeugen erprobt werden muss, können wirklich skalierbare Lösungen für die Etablierung der Technologie im ÖPNV entstehen.
MOIA und Level 4: Ein Gesamtsystem für den ÖPNV
MOIA strebt an, Level-4-Technologien im Ridepooling in den öffentlichen Personennahverkehr zu integrieren. Dabei setzen wir auf die Serienproduktion des ID. Buzz AD. Unser Fokus liegt auf einem Gesamtsystem, das alle Aspekte von Fahrzeug, Betriebssoftware, Mobilitätsplattformen und Schnittstellen für MaaS-Apps (Mobility-as-a-Service) umfasst. Dies ermöglicht eine nahtlose Integration in den bestehenden ÖPNV und bietet eine innovative Lösung für die Mobilitätsbedürfnisse der Zukunft.