Wenn das Auto selbst fährt – Sicherheitsfahrer Nicholas im Interview
Nicholas spricht über seine Aufgaben, die Ausbildung und die Überwindung das Steuer loszulassen
Der größte Unterschied zwischen einem normalen und einem autonom fahrenden Auto ist der Start. „Das Procedere im autonomen Fahrzeug ist sehr komplex – aus gutem Grund“, sagt Nicholas. Er arbeitet seit sechs Jahren als Fahrer bei MOIA in Hamburg und hat sich vor zwei Jahren zum Sicherheitsfahrer ausbilden lassen. Damit hat er einen umfangreichen Prozess durchlaufen, der ihn dazu befähigt, ein autonomes Ridepooling-Fahrzeug zu „führen“. Unter anderem musste er sich umfänglich mit der Technik auseinandersetzen. Denn bevor die Fahrt losgeht, werden schrittweise das selbstfahrende System (SDS) sowie die Lidar-Sensoren und Kameras hochgefahren, die das Fahrzeug und alles, was in 360 Grad herum um dieses passiert, im Blick haben.
Im Interview erzählt Nicholas, welche Aufgaben er als Sicherheitsfahrer im Fahrzeug übernimmt, wie die Ausbildung abläuft und ob es ihn Überwindung kostet, das Steuer loszulassen.
Hi Nicholas, was hat dich daran gereizt, Sicherheitsfahrer bei MOIA zu werden?
Ich bin seit 2019 in Hamburg als Fahrer dabei. Da mich Neues immer reizt, bin ich Anfang 2023 auch einer der Ersten gewesen, der die barrierefreien MOIAs fahren durfte. Zuvor habe ich unter anderem als technischer Leiter im Theater gearbeitet. Den Job konnte ich aus gesundheitlichen Gründen jedoch nicht mehr ausüben. Die Liebe zur Technik ist geblieben. Und das waren die Gründe für mich, als Sicherheitsfahrer zu arbeiten: Der Reiz des Neuen im Verbund mit zukunftsweisender Technik.
Um Sicherheitsfahrer*in bei MOIA zu werden, durchlaufen Bewerbende bei MOIA einen umfangreichen Prozess. Wie läuft dieser ab?
Bevor die Ausbildung zum Sicherheitsfahrenden losgehen kann, gibt es einige Schritte, um sicherzustellen, dass ein*e Kandidat*in für die Rolle geeignet ist und, dass der Job auch wirklich zu der Person passt. Der erste Schritt ist ein simulationsbasiertes Assessment Center. Im Fahrsimulator eines autonomen Fahrzeugs gilt es, die eigene Entscheidungsfähigkeit und Reaktionsschnelligkeit in komplexen Verkehrssituationen unter Beweis zu stellen. Anschließend folgt ein Interview mit praxisnahen Fallbeispielen sowie ein Besuch an unserem Hub für die autonome Flotte. Dort haben Interessierte die Möglichkeit, direkt mit erfahrenen Sicherheitsfahrenden ins Gespräch zu kommen, Fragen zu stellen und den Joballtag aus erster Hand kennenzulernen. Wenn alles passt und die Ausbildung starten kann, beginnt die Ausbildung mit dem Fit-for-Safety-Driver-Kurs, der auf die kommenden Trainingsphasen vorbereitet. Als nächstes geht es dann auf den Testtrack, eine Teststrecke, die eine kleine Stadt abbildet und realistische Verkehrssituationen ermöglicht.
Im ersten Teil der Ausbildung liegt der Fokus auf dem sogenannten Commentary Driving. Das bedeutet, dass wir Fahrer*innen während der Fahrt alles in Anwesenheit eines/r Trainer*in kommentieren, was wir auf der Straße sehen, vom Halteverbotsschild über Autos und Fahrräder bis zu Personen, die zu Fuß unterwegs sind. Auf dem Testtrack lernt man dann im nächsten Schritt das autonome Fahrzeug näher kennen. Alltägliche Verkehrssituationen werden hier nachgestellt und sogenannte Interaktionsfahrende übernehmen die Rolle anderer Verkehrsteilnehmender, um möglichst realistische Bedingungen zu schaffen. Im letzten Abschnitt der Ausbildung folgt schließlich der Praxiseinsatz im öffentlichen Straßenverkehr in Hamburg. Also dort, wo die autonomen MOIA-Shuttles bereits heute unterwegs sind.
Soll heißen: Erst nach erfolgreichen Tests im Bewerbungsprozess dürfen Bewerber*innen mit den autonomen Fahrzeugen fahren?
Genau. Davor wird sogar noch auf einem Testgelände ein Sicherheitstraining absolviert. Wir als MOIA-Fahrer*innen fahren ja ganz ruhig durch die Stadt und sind darauf aus, langsam zu bremsen und anzufahren. Bei dem Sicherheitstraining gilt das Gegenteil: Man fährt im schnellen Tempo, Rückwärtsslalom, Vorwärtsslalom, Bremsmanöver – immer mit dem Hintergedanken „Safety First“. Das Ziel ist es, die Reaktionsfähigkeit zu testen. Denn in Gefahrensituationen mit dem autonomen Fahrzeug zählen unter Umständen Bruchteile von Sekunden. Das macht unheimlich Spaß, wird aber streng bewertet. Erst dann geht es weiter im autonomen Fahrzeug.
Wie war es für dich, zum ersten Mal das autonome MOIA Shuttle zu fahren?
Das war aufregend. Zunächst bin ich auf dem Testgelände damit gefahren, ehe es um das Commentary Driving ging. Hier ging es wieder darum, als Fahrender alles zu kommentieren, was 360 Grad um das Fahrzeug herum zu sehen ist. Diese Fahrten werden erstmal von einem Trainer*in für Sicherheitsfahrende begleitet. Nach den Fahrten auf dem Testgelände folgt der dritte Teil der Ausbildung: Das Fahren im öffentlichen Verkehr in Hamburg. Erst nach den bestandenen Prüfungen in diesem Abschnitt der Ausbildung ist der ganze Ausbildungs-Prozess als Sicherheitsfahrende absolviert. Insgesamt haben sich bislang mehr als 30 Fahrer*innen als Safety Driver bei MOIA ausbilden lassen.
Warum ist das Commentary Driving so wichtig als Sicherheitsfahrer*in?
Durch das Commentary Driving wird abgeglichen, ob die Kameras und Lidar-Sensoren all das sehen und an den Computer übermitteln, das auch der Fahrende sieht. Ist dem nicht so, müssen wir diese Fehler entsprechend für das System dokumentieren. Vom Sicherheitsfahrenden wird ein hohes Maß an Konzentration verlangt.
Hat es dich Überwindung gekostet, das Steuer loszulassen?
Tatsächlich dürfen wir als Sicherheitsfahrende die Hände nicht vom Steuer lassen – auch wenn das Fahrzeug im autonomen Modus unterwegs ist. Denn wenn dann doch mal etwas passiert, muss ich sofort reagieren können. Der autonome Modus wird sofort beendet, wenn ich das Lenkrad wieder übernehme, die Bremse betätige oder aufs Gaspedal drücke. Es gelten sehr hohe Sicherheitsstandards. Wir müssen uns auch immer selbst mit eigenen Augen vergewissern, dass alle Personen im Fahrzeug angeschnallt sind. Das wird aber zur Routine. Für mich ist es schon ein starkes Gefühl, wenn das Fahrzeug autonom unterwegs ist. Ich bin immer wieder beeindruckt, dass die Technik so gut funktioniert.
Was bedeutet autonomes Fahren für dich persönlich?
Ich bin neugierig, was die Technik betrifft und wie sie funktioniert. Deshalb wollte ich auch unbedingt als Sicherheitsfahrer bei Stunde Null dabei sein. Zudem möchte ich die Verkehrswende aktiv mitgestalten. MOIAs Vision diesbezüglich ist es, in einigen Jahren mehrere Tausend autonome Shuttles auf die Hamburger Straßen zu bringen.
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